Von Felix R.


Die deutsche Gastronomiebranche steht vor einem tiefgreifenden Wandel. Was einst als relativ stabiler Wirtschaftszweig galt, ist heute ein dynamisches Umfeld, geprägt von disruptiven Entwicklungen, sich verändernden Konsumgewohnheiten und mehrfachen Krisen. Die Pandemie wirkte dabei nicht nur als Krise, sondern als Beschleuniger bestehender Veränderungen und brachte neue Herausforderungen mit sich. Für Beratende in der Gastronomie ergibt sich daraus die Notwendigkeit, ihre Ansätze grundlegend zu überdenken. Ein tieferes Verständnis der aktuellen Entwicklungen ist Grundlage für eine zukunftsfähige und wirksame Beratung.

Strukturelle Veränderungen und aktuelle Herausforderungen

Die traditionelle Gastronomie in Deutschland steht unter erheblichem Druck. Mehrere Jahre pandemiebedingter Einschränkungen haben finanzielle Reserven aufgebraucht. Die anschließende Energiekrise mit stark steigenden Betriebskosten verschärfte die Lage zusätzlich. Gleichzeitig wurde der bereits bestehende Fachkräftemangel zu einem kritischen Engpass.

Laut DEHOGA konnten 2023 über 80 Prozent der Betriebe nicht alle offenen Stellen besetzen – mit Folgen: reduzierte Öffnungszeiten, eingeschränktes Angebot, sinkende Qualität.

Die konsumbezogene Zurückhaltung durch Inflation belastet die Umsätze weiter. Gäste achten stärker aufs Budget, besuchen seltener Restaurants oder wählen günstigere Alternativen. Gleichzeitig erzwingen höhere Einkaufspreise Preisanpassungen, die wiederum die Nachfrage dämpfen können – eine klassische Negativspirale, die strategisches Gegensteuern erfordert.

Hinzu kommt der strukturelle Wandel in vielen Innenstädten: Homeoffice reduziert die Mittagskundschaft, Rückgänge im Einzelhandel senken die Passantenfrequenz. Das sogenannte „Restaurantsterben“ ist Realität: Laut Statistischem Bundesamt sank die Zahl der Gastronomiebetriebe zwischen 2019 und 2023 um rund 12 Prozent.

Innovationstrends als Antwort auf die Transformation

Trotz der Herausforderungen entstehen neue, innovative Konzepte, die den Weg in die Zukunft weisen. Viele erfolgreiche Betriebe haben die Krise als Chance zur Weiterentwicklung genutzt:

Hybride Konzepte verbinden unterschiedliche Nutzungen: Tagsüber Coworking, abends Restaurant, am Wochenende Eventlocation. Diese vielfältige Nutzung erhöht die Flächeneffizienz und erschließt neue Zielgruppen.

Digitalisierung und Automatisierung schreiten rasant voran. Digitale Speisekarten mit Bestellsystem, KI-gestützte Planung, teilautomatisierte Küchen – technologische Lösungen helfen, Personalengpässe zu kompensieren und die Effizienz zu steigern.

Zudem setzen viele Betriebe auf datenbasiertes Marketing und CRM-Tools, um Gäste gezielter zu binden.

Nachhaltigkeit und Regionalität sind längst keine Nischenthemen mehr, sondern wichtige Erfolgsfaktoren. Lokale Lieferketten, Zero-Waste-Ansätze, energieeffiziente Betriebsführung – all das spricht nicht nur den Zeitgeist an, sondern bringt auch wirtschaftliche Vorteile. Eine offen kommunizierte Nachhaltigkeitsstrategie kann zur klaren Positionierung im Markt beitragen.

Experience Dining – also das Erleben mit allen Sinnen – wird immer wichtiger. Gäste erwarten mehr als nur gutes Essen. Pop-up-Konzepte, Themenabende oder interaktive Kochformate schaffen einprägsame Erlebnisse mit Social-Media-Potenzial.

Delivery & To-Go sind längst eigenständige Geschäftszweige. Transportoptimierte Speisen, eigene To-Go-Marken („Ghost Kitchens“) und flexible Angebote eröffnen zusätzliche Umsatzkanäle.

Ansätze für eine zeitgemäße Gastronomieberatung

Die aktuelle Komplexität verlangt neue Formen der Beratung – über klassische Gastroexpertise hinaus. Zeitgemäße Beratung bedeutet:

Ganzheitliche Analyse statt isolierter Kennzahlen: Neben betriebswirtschaftlichen Faktoren müssen auch regionale Trends, Wettbewerbsumfeld und Zielgruppenverhalten berücksichtigt werden. Moderne Tools wie Standortanalysen oder Customer-Journey-Mapping schaffen bessere Entscheidungsgrundlagen.

Individuelle Konzepte statt Standardlösungen: Jeder Betrieb hat eigene Potenziale. Beratungsprozesse sollten ko-kreativ gestaltet sein – Berater und Gastronom entwickeln gemeinsam maßgeschneiderte Strategien.

Kompetenzaufbau und Teamentwicklung: In Zeiten von Personalmangel wird die Weiterentwicklung bestehender Mitarbeitender entscheidend. Beratung muss Personalentwicklung mitdenken und Attraktivität als Arbeitgeber strategisch stärken.

Fördermittel-Expertise: Viele Investitionen – etwa in Nachhaltigkeit oder Digitalisierung – lassen sich durch Förderprogramme unterstützen. Beratende sollten Förderstrukturen kennen und aktiv begleiten.

Umsetzungsbegleitung statt Konzeptablage: Gute Ideen scheitern oft an der Praxis. Moderne Beratung begleitet die Umsetzung langfristig und überprüft regelmäßig die Wirkung.

Netzwerkbasierte Strategien: Kooperationen mit Lieferanten, Produzenten oder anderen Gastronomen schaffen Synergien. Berater:innen agieren hier als Vernetzer und Impulsgeber.

Neue Horizonte: Zukunftsperspektiven für die Gastronomie

Trotz aller Herausforderungen bleibt die Gastronomie ein zentraler Teil unserer Alltagskultur. Als Ort der Begegnung und Träger regionaler Identität ist sie unverzichtbar. Die Zukunft wird dabei durch folgende Entwicklungen geprägt:

  • Markt-Polarisierung: Während Premium- und Discountformate wachsen, gerät das mittlere Segment unter Druck. Beratung muss helfen, klare Profile und starke Positionierungen zu schaffen.
  • Technologie trifft Menschlichkeit: Automatisierung wird zunehmen – von der Roboterküche bis zur KI-basierten Menüentwicklung. Gleichzeitig wächst die Sehnsucht nach echten, menschlichen Erlebnissen. Die Herausforderung wird sein, Technik sinnvoll zu integrieren, ohne das Gastgebergefühl zu verlieren.
  • Nachhaltigkeit wird Pflicht: Regulierung und Konsumentenbewusstsein erzwingen neue Standards – vom Energieverbrauch bis zur Verpackung. Beratung muss ökologische Aspekte frühzeitig ins Geschäftsmodell integrieren.
  • Grenzen verschwimmen: Gastronomie, Einzelhandel, Eventbusiness und soziale Räume verschmelzen zunehmend. Hybride Konzepte mit flexibler Nutzung bieten neue Chancen.

Fazit: Beratung als Entwicklungspartnerschaft

Die Transformation der Gastronomie erfordert einen Paradigmenwechsel in der Beratung: Weg von kurzfristigen Maßnahmen, hin zu partnerschaftlicher Begleitung auf Augenhöhe. Erfolgreiche Beratung vereint Fachwissen mit Empathie, Analytik mit Kreativität und Betriebswirtschaft mit kulturellem Verständnis.

Die Herausforderungen sind vielfältig – doch gerade darin liegt die Chance. Die deutsche Gastronomie ist nicht am Ende einer Ära, sondern am Beginn einer neuen: geprägt von Nachhaltigkeit, Vielfalt und der kreativen Verbindung von Tradition und Innovation.

Beratung kann dabei zur Schlüsselressource werden – indem sie Orientierung bietet, Potenziale freilegt und langfristige Entwicklung unterstützt.