Von Sebastian W.

Wie geht es euch so? Seid ihr auch der Meinung, dass in einer Welt, die zunehmend von digitaler und schneller Vernetzung geprägt ist, die Kommunikation einfacher denn je geworden ist. Tools und Plattformen, wie bspw. WhatsApp, Signal, Slack, Email, Messenger, Zoom, Facetime und und und stellen eine Basis für eine Vielzahl von Kommunikationsmöglichkeiten zur Verfügung, so dass einer nachhaltigen Kommunikation doch eigentlich nichts mehr im Wege stehen dürfte. Tja, die Realität zeigt ein differenzierteres Bild: Schweigen, Missverständnisse und fehlerhafte Kommunikation prägen oft unseren Alltag – sei es im beruflichen oder auch im privaten Kontext.

Sprich mit mir

Wenn die Kommunikation (gänzlich) verstummt, entstehen Leerräume, die der menschliche Geist nur allzu gerne mit eigenen Interpretationen füllt. Das Fehlen von Information führt häufig zu Spekulationen, die selten positiv ausfallen. „Keine Antwort ist auch eine Antwort“ – und meist wird diese als Ablehnung, Desinteresse oder gar Geringschätzung gedeutet.

Selbst eine unvollkommene Kommunikation bietet Anknüpfungspunkte. Sie schafft die Möglichkeit zur Klärung, zum Dialog und letztendlich zum Verständnis. Eine Nachricht, die missverstanden wurde, kann korrigiert werden. Ein Gespräch, das in die falsche Richtung läuft, kann neu ausgerichtet werden. Schweigen hingegen bietet keine solche Möglichkeit.

Wenn die Kommunikation ausbleibt

In Unternehmen kann fehlende Kommunikation besonders schädliche Folgen haben. Mitarbeiter, die im Unklaren gelassen werden, verlieren Vertrauen und Motivation. Teams ohne ausreichenden Informationsfluss arbeiten ineffizient oder teilweise sogar gegeneinander. Kunden, die keine Rückmeldung erhalten, wenden sich ab, hinterlassen negative Rezessionen und sind schwer zurückzugewinnen. Die berühmte „Gerüchteküche“ gedeiht besonders gut auf dem Nährboden des Informationsmangels.

Natürlich gibt es Ausnahmen – das „fast“ im Titel deutet es an. Manchmal kann eine übereilte, emotional aufgeladene Kommunikation mehr Schaden anrichten als kurzzeitiges Schweigen. Doch selbst hier wäre eine bewusste Mitteilung wie „Ich brauche Zeit zum Nachdenken“ oder „Lass uns später darüber sprechen“ besser als komplettes Verstummen.

Die Qualität der Kommunikation bleibt zweifellos wichtig. Doch bevor wir nach der perfekten Formulierung streben, sollten wir anerkennen, dass der Kommunikationskanal selbst – das In-Verbindung-Bleiben – oft wichtiger ist als der makellose Inhalt. Eine ehrliche, wenn auch ungeschliffene Botschaft kann Brücken bauen, wo Schweigen nur Gräben vertieft.

Die Frage nach dem warum

Natürlich muss in diesem Zusammenhang auch eruiert werden, warum Kommunikation ausbleibt oder versucht wird „Themen auszusitzen“. Das Phänomen ausbleibender Kommunikation und das bewusste „Aussitzen“ von Themen hat vielfältige Wurzeln, die tief in der menschlichen Psyche, in organisatorischen Strukturen und strategischen Überlegungen verankert sind.

Auf psychologischer Ebene spielt oft die Angst vor Konflikten eine entscheidende Rolle. Viele Menschen scheuen die direkte Auseinandersetzung und befürchten, dass Kommunikation zu unangenehmen Konfrontationen führen könnte. Dieses Vermeidungsverhalten manifestiert sich im Schweigen, das vermeintlich sicherer erscheint als das offene Wort. Hinzu kommt das Phänomen der Entscheidungsmüdigkeit – in einer Zeit der Informationsflut und ständigen Erreichbarkeit fühlen sich viele Menschen von der schieren Menge an Entscheidungen überwältigt und schieben kommunikative Handlungen auf. Perfektionismus verstärkt diesen Effekt noch: Die Sorge, nicht die ideale Antwort zu haben oder einen Fehler zu begehen, führt zum „kommunikativen Stillstand.“

Informationen – aber nicht für jeden

In organisatorischen Kontexten tragen unklare Verantwortlichkeiten maßgeblich zum Kommunikationsmangel bei. Wenn niemand sich explizit zuständig fühlt, bleibt notwendige Kommunikation oft auf der Strecke. Informationssilos innerhalb von Unternehmen verhindern zudem, dass relevante Informationen all jene erreichen, die sie benötigen. Selbst wenn der Wille zur Kommunikation vorhanden ist, können fehlende oder unpassende Kommunikationskanäle den Austausch behindern. Die in vielen Organisationen herrschende Überlastung führt dazu, dass Kommunikation häufig zu niedrig priorisiert wird – besonders wenn kurzfristige operative Aufgaben drängen.

Das bewusste „Aussitzen“ von Themen folgt oft einem strategischen Kalkül. Als Machtdemonstration kann Nicht-Kommunikation eingesetzt werden, um Kontrolle auszuüben und Abhängigkeiten zu schaffen. Manche Entscheidungsträger hoffen durch Abwarten darauf, dass sich problematische Themen von selbst erledigen oder in Vergessenheit geraten. 

Zeitgewinn spielt ebenfalls eine Rolle – sei es, um weitere Fakten zu sammeln oder eine günstigere Situation abzuwarten. Nicht selten steckt auch eine bewusste Ressourcenabwägung dahinter: Themen, die als nicht wichtig genug eingestuft werden, erhalten keine Aufmerksamkeit.

Die hohe Kunst der Kommunikationskultur

Die vorherrschende Kommunikationskultur prägt das Verhalten aller Beteiligten entscheidend. In Umgebungen, in denen das direkte Ansprechen von Problemen nicht gefördert oder gar sanktioniert wird, verstummt kritische Kommunikation schnell. Besonders in stark hierarchischen Strukturen, wo Informationen primär von oben nach unten fließen, fehlt oft der Raum für offenen Austausch. Eine mangelhafte Fehlerkultur verstärkt diese Dynamik – wenn Fehler mit negativen Konsequenzen verbunden sind, werden problematische Entwicklungen eher verschwiegen als kommuniziert.

Das Verständnis dieser vielschichtigen Ursachen bildet die Grundlage für eine Verbesserung der Kommunikationskultur. Nur wer die Gründe für Schweigen und Aussitzen erkennt, kann gezielt gegensteuern – etwa durch die Schaffung sicherer Räume für Austausch, durch klare Kommunikationsverantwortlichkeiten oder durch die bewusste Förderung einer konstruktiven Fehlerkultur.

Die Kunst liegt also darin, selbst in schwierigen Situationen den Dialog aufrechtzuerhalten – im Wissen, dass jede Form von Kommunikation die Chance birgt, Verständnis zu schaffen und Beziehungen zu stärken.